Hermann Hesse, der am* 2. Juli 1877 in Calw im damaligen Königreich Württemberg geboren wurde und am 9. August 1962 in Montagnola in der Nähe der Luganer Sees verstarb, ihm wurde 1946 der Nobelpreis für Literatur für dieses, sein letztes großes Werk verliehen. Es spielt in einer Zukunftswelt, aus dem Kontext des Buches kann man erahnen, dass es ungefähr in 500 Jahren spielt. In dieser Zeit siedelt er die sog. „pädagogische Provinz Kastalien“ und das Leben seines Helden Magister Ludi Josef Knecht an.
Auf die wesentlichen Charakteristika dieser Welt verweist der Namenszusatz ‚Magister Ludi‘, ein Wortspiel, da das lateinische Wort ‚ludus‘ sowohl ‚Schule‘, ein magister ludi ist also historisch ein Schulmeister, als auch Spiel bedeutet, der Titel würde dann „Meister des Spiels“ heißen.
In der von Hesse entworfenen Welt bilden die männlichen, zölibatär lebenden Gelehrten einen straff organisierten Orden, der in Kastalien lebt – der heilen, abgeschotteten Welt einer geistigen Elite, die sich in Universalität und Harmonie entfaltet und darin ihren Selbstzweck erleben darf. Seine Aufgaben sieht der Orden im Bildungssystem, das ihm wiederum zur eigenen Reproduktion dient. Weiterhin in der Perfektion der Wissenschaften und Künste und insbesondere der Synthese beider Bereiche, dem Glasperlenspiel.
Es handelt sich beim Glasperlenspiel um den Versuch einer kunstvollen, ästhetisch ansprechenden Vereinigung aller Wissenschaften, der Versuch einer Universalsprache. Es soll eine übergreifende Verknüpfung aller Sachgebiete zu einem großen Ganzen werden. Die genauen Regeln dieses Spiels werden nur angedeutet und sollen so kompliziert sein, dass sie nicht einfach zu veranschaulichen sind. Das Spiel hat bereits quasirituellen Charakter angenommen; Ziel scheint es zu sein, tiefe Verbindungen zwischen scheinbar nicht verwandten Themengebieten herzustellen und theoretische Gemeinsamkeiten von Künsten und Wissenschaften aufzuzeigen. Beispielsweise wird ein Bach-Konzert mit einer mathematischen Formel verknüpft.
Der Publikumserfolg für ein „gutes Spiel“ wird dabei sowohl durch musikalische Klasse als auch mathematische Eleganz erreicht.
Das Glasperlenspiel erhielt seinen Namen von den ursprünglich verwendeten Spielsteinen, vielleicht ähnlich denen eines Abakus oder des Go-Spiels. Ursprünglich wollte Hesse Karten als Spielzeuge für sein Spiel benutzen; erst später entschied er sich für „Glasperlen“.
Zur Zeit der Romanhandlung sind diese jedoch überflüssig geworden und das Spiel wurde nur noch mit abstrakten gesprochenen Formeln gespielt. Das Konzept des Glasperlenspiels scheint so Ähnlichkeit zu den Ideen von Leibniz und seiner universellen wissenschaftlichen Formalsprache (Universalsprache) aufzuweisen. Darauf wird in der sog. „historischen“ Einleitung des Buches verwiesen.
Die strenge Bildungszivilisation, in der das Glasperlenspiel angesiedelt ist, wird dort als neue kulturelle Blüte nach der vorangehenden, eher an oberflächlicher bildungsbürgerlicher Unterhaltung interessierten, „Feuilletonistischen Epoche“ geschildert. In der Provinz Kastalien selbst herrscht allerdings ein Kulturzustand, in dem nichts Neues, Aufregendes, Abenteuerliches mehr entdeckt und geschaffen, sondern nur noch mit dem Vorhandenen „gespielt“ wird – umgangssprachlich wurde daher „Glasperlenspiel“ zum Ausdruck für ein selbstzweckhaftes, eitles und unkreatives Hantieren mit kulturellen Klischees.
Das Heraufziehen eines solchen Kulturzustands war die Sorge vieler Intellektueller in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ich komme darauf noch zu sprechen.
Thomas Mann gestaltete diese Sorge in seinem Doktor Faustus, der nach seinem eigenen Urteil Parallelität zum Glasperlenspiel aufweist.
Weiterhin schottet sich der sich nur noch der Betrachtung des Gegebenen widmende Orden von der Außenwelt ab, indem er sich nicht mehr mit praktischen, insbesondere politischen Fragen befasst.
Diese Widersprüche sind es, die für das Leben des Helden, Josef Knecht, entscheidend sind. Als Knabe wird er von der örtlichen Lateinschule weg an eine Eliteschule in der Ordensprovinz Kastalien berufen.
Wesentlich verändert durch die Bekanntschaft mit dem Musikmeister, einem der Ordensoberen, ordnet er sich ganz den Regeln des Ordens unter. Immer mehr macht er sich die Fähigkeiten zu eigen, die den Orden auszeichnen – Wissenschaft, Musik, Meditation und schließlich das Glasperlenspiel –, steigt immer höher in der Hierarchie, bis er schließlich eines der höchsten Ämter, das des Glasperlenspielmeisters, des magister ludi, bekleidet.
Von Anfang an prägen ihn aber auch die Einblicke in die Außenwelt. Schon in der kastalischen Schulzeit sind eine seiner wesentlichen Antriebsfedern seine heißen Diskussionen mit dem Klassenkameraden Plinio Designori. Der strebt ein Leben außerhalb des Ordens an und greift das weltabgewandte Leben in Kastalien scharf an.
Ein wesentlicher Schritt auf der Karriereleiter ist weiterhin Knechts Gesandtschaft in das katholische Kloster „Stift Mariafels“. Auch dies ein Stück Außenwelt, das er kennenlernt, zumal ihn ein Pater in die Geschichtswissenschaft einweist, die als zutiefst „weltliches“, in der Materialität verhaftetes Fach im kastalischen Kanon keinen Platz hat.
Über die Jahre seiner Tätigkeit als Magister Ludi muss Knecht erkennen, dass aufgrund der weltpolitischen Lage auch die Existenz Kastaliens auf tönernen Füßen steht, dass die kastalische Isolation mittelfristig nicht haltbar ist und die Provinz sich dem weltlichen Leben öffnen muss, um zu überleben.
Mit dieser Meinung und der damit verbundenen Warnung ist er aber im Führungskreis der Ordensbrüder recht alleine. Dort nicht verstanden und zur Ordnung gerufen, verlässt er die Gelehrtenwelt, um sich dem Dienst als Schulmeister an einem jungen Manne zu widmen. Es ist der rohe und unerzogene Naturbursche Tito Designori, der Sohn seines alten Diskussions-Widersachers Plinio. Als Knecht mit seinem neuen Schüler in einem Bergsee schwimmen möchte, stirbt er im eiskalten Wasser.
Das Gedicht „Die Stufen“ wird im zweiten Teil des Buches, „Josef Knechts hinterlassene Schriften“ genannt und im Kapitel „Die Gedichte des Schülers und Studenten“ wiedergegeben. Besondere Bedeutung erhält es für den ganzen Roman, indem Hesse es in vorherigen Kapiteln ausführlich den entscheidenden Wandel im Leben des „Magister Ludi“ Josef Knecht meditativ begleiten lässt. Dabei werden die Zeilen Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben ausdrücklich zitiert und als maßgeblich für Knechts Abschied von seinem Amt dargestellt. Im darauf folgenden Gespräch zwischen Knecht und einem engen Freund bringt Hesse dann eine ausführliche Interpretation des Gedichts. Es kann daher als „essenziell“ für die dramaturgische Gestaltung des Romans bezeichnet werden.
Joseph Knecht, der die höchsten Weihen Kastaliens erfahren hat, wird mehr und mehr bewusst, dass das Glasperlenspiel nur um seiner selbst Willen gespielt wird. Der ursprüngliche Gedanke, die Vereinigung der Wissenschaften im Spiel, geht verloren, wird zu leeren Hülle.
Durch seine früheren Kontakte zur profanen Welt erkennt er, wie bereits erwähnt, dass diese heile Welt des Glasperlenspiels gefährdet ist, ja früher oder später enden wird.
In dem apokalyptischen Gedicht DER LETZTE GLASPERLEN-SPIELER beschreibt Hesse das mögliche Ende Kastiliens. Alle Befürchtungen Joseph Knechts werden hier zusammengefasst, Kastilien, die Schulen, das Glasperlenspiel, die hohen Diskussionen sind dahin, zu Trümmern zerfallen.